1989 und bald 30 Jahre später…

Kurz nach dem Mauerfall

Ich sah Menschenmassen in Kreuzberg Schlange stehen.
Ich sah Häuser, die waren nicht verfallen, sondern saniert.
Ich sah Menschen mit weißen Zähnen, Menschen die anders aussahen.

Ich roch in den Läden einen Westduft.
Ich schmeckte erstmals eine Kiwi, von der ich nicht wußte, wie man sie ißt.
Ich hörte im Olympia- Stadion die Rolling Stones und später im Loft Nirvana.

Ich fühlte Scham über das Verhalten der Ossis, wie sie in Kreuzberg einfielen.
Ich fühlte mich frei ohne Mauer, spürte aber sozialen Druck aufgrund der Wohnungsnot.

Bald 30 Jahre später

Schicksal der Wegwerfexistenzen

Seltsame Zeiten mit absurden Zügen
auf dem Weg ins Nichts mit der stillen Post
man gewöhnt sich ans Scheitern und an`s Elend
Krokodilstränen

Eine Welt im Überfluß
sie klammern sich an ihre Privilegien
1,4 Milliarde Arme mit weniger als zwei Dollar am Tag
800 000 Hungernde an den Grenzen der Menschheit

Global zirkuliert das Kapital
Menschen versuchen Zäune zu überwinden
Lippenbekenntnisse der Politik
Spielarten des Egoismus

Hunger bedeute Flüchtlinge
Hunger bringe Terroristen hervor
Hunger gefährde den Frieden
Hunger führe zu Revolten

Arme sollen still halten und nicht aufmüpfig werden
Sie sollen nicht revoltieren aus Verzweiflung
ansonsten aber schön arm bleiben
denn die Ressourcen reichen nur für die Wohlhabenden

Georg Grosz verspottete die Reichen
heute spenden sie und sind die Retter der Welt
wie Bill Gates mit seinen Almosen
man hält die Armen am Leben

Wie Fußballstar Ronaldo
200 000 Dollar verdient er am Tag
er kümmere sich um die Hungernden
und wird dafür gefeiert

Almosen für den Seelenfrieden
damit die Verzweifelten nicht aufbegehren
Almosen gegen die Schuldgefühle
dabei ist die Ungleichheit des Eigentums aller Ursache

Du sollst…

Du sollst mitmachen
etwas aus deinem Leben machen
im Muff der Systeme
im Moloch der Stadt

Du sollst dich verschanzen
in der Routine des Lebens
Langweiler werden
mit dem Vokabular der Mitläufer

Du sollst schlendern
in den Kaufhäusern des Grauens
konsumieren bis zum Umfallen
flüchten ins Nichts

Du sollst schinden
mit berechnender Masche
die Zeit vergessen
im Keller der Strick

Gesundheit und Politik

Gesundheit ist Lifestyle
ein Statussymbol
ein Kosumprodukt
ein Investitionsobjekt

Gesundheit ist eine persönliche Sache
du bist selbst verantwortlich
soziale Krankheitsherde?
mit Gesundheit wird Geld verdient!

Wir müssen den Blick öffnen
was tun die Verhältnisse den Individuen an
Lichtgestalt oder Gefangenschaft?
Was ist aus den Hoffnungen geworden?

Arroganz der Macht
ein verinnerlichter Staat
Angstpolitik
gepanzert mit Zwang

Die einen durch Arbeitsverdichtung erschöpft
die Hartzis Wegwerfprodukte
Humankapital oder Kostenfaktor?
Angst vor dem Abrutschen?

In ungleiche Machtverhältnisse hineingeboren
das ist die Normalität
die Unterdrückten vermögen nicht zu sprechen
oder sie werden nicht gehört

Wo ist der Protestrohstoff?
Diszipliniert?

Sich der Last des Lebens fügen?
Nur Verzweiflung kann uns retten?
Was ist Leben?
Wenn wir zugedröhnt von Leidenschaft sind?
Vernunft oder Rausch

alles geht rasend schnell
nicht versinken im Elend
Klappern mit dem Schlüsselbund
Klimpern mit dem Geld
verweisen auf die Gewohnheit

Bösewichter rechts außen
in der Menge der Schurken untergehen
ein sinkendes Schiff
Flucht vor geballter Wucht
eine leere Schimäre